Mehrere Institutionen, Firmen, Politiker und Vereine beenden ihre Aktivitäten auf dem Netzwerk X – als Kritik an der inhaltlichen Radikalisierung des früheren Twitters. Die verstörenden Aussagen von X-Eigentümer Elon Musk, der auch Berater der künftigen Trump-Regierung ist, heizen die Debatte weiter an. Andere scheuen einen Ausstieg. Auch in Freiburg sind die Meinungen hierzu geteilt.
Fast kein Tag vergeht, an dem Trump-Berater und X-Eigentümer Elon Musk nicht die Schlagzeilen beherrscht. Zuletzt sorgte der Tesla- und SpaceX-Chef mit einer Wahlempfehlung für die AfD für Aufsehen. Musks Verhalten und die eskalierende Diskussionskultur auf dem früheren Twitter, seit der 53-Jährige dieses übernahm, ist vielen ein Dorn im Auge. Auch in Freiburg werden deshalb Konsequenzen gezogen. So betreibt der Energieversorger badenova seinen X-Account nicht mehr aktiv. „Der ’flexible’ Umgang mit Meinungen auf der Plattform passt nicht zu unseren Werten“, sagt Pressesprecher Daniel Feld.
Statt weiterhin auf X aktiv zu sein, ist der Energieversorger auf andere Netzwerke ausgewichen. Laut Pressesprecher Feld erreiche man die Kunden „besser und direkter über andere Kanäle, um dort in einen respektvollen und fruchtbaren Austausch zu treten.“
Wir sagen Tschüss 👋
— SC Freiburg (@scfreiburg) November 26, 2024
Wir freuen uns über alle, die uns rüber zu Bluesky folgen: https://t.co/6XSla2bwcH#SCF #eXit pic.twitter.com/ZsSNGRVZxJ
So hält es seit Ende November auch der SC Freiburg, der wie zuvor die Fußball-Bundesligavereine aus Bremen und St. Pauli X verlassen hat und auf die Plattform Bluesky umgezogen ist. Die Freiburger Dienstradleasingfirma Jobrad lässt ihren Account sogar schon seit Ende 2023 ruhen.
Alternativen anbieten
Chantal Kopf, Freiburgs grüne Bundestagsabgeordnete, sagt dem Wochenbericht: „Twitter war lange Zeit eine Plattform, die einen fruchtvollen Meinungsaustausch zwischen Politik, Wissenschaft, den Medien und der Zivilgesellschaft ermöglichte. Leider lässt sich an dem Beispiel X sehr gut aufzeigen, was passiert, wenn große Online-Plattformen nicht reguliert werden.“ So habe die EU-Kommission im Juli 2024 festgestellt, dass der Kurznachrichtendienst gegen EU-Recht verstoße und zu wenig gegen Falschinformationen und Hassrede tue. Der 29-Jährigen bereitet es „ernsthafte Sorgen“, dass X-Chef Musk die Plattform für „einseitige politische Einflussnahmen“ auf den deutschen Wahlkampf nutze: „Insbesondere dann, wenn sie Parteien wie der AfD dienen, die unsere Demokratie von innen auszuhöhlen versuchen“, sagt sie. Kopf, die schon seit Längerem auf der X-Alternative Bluesky aktiv ist, wolle ihre „Entscheidung über den Verbleib auf X vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklungen fällen“, erklärt die Grüne.
Auch das Universitätsklinikum Freiburg beobachte die Entwicklungen auf X laut dem leitenden Pressesprecher Benjamin Waschow „selbstverständlich kritisch“, möchte „aktuell“ aber weiterhin dort aktiv bleiben. Man nutze X vor allem für die Wissenschaftskommunikation, weil nach wie vor viele Wissenschaftler, Politiker und Journalisten weltweit dort vertreten seien. Für die Uniklinik, die auf allen großen Social-Media-Plattformen vertreten sei, spiele X eher eine untergeordnete Rolle in ihrer Kommunikationsstrategie. Aber: „Gerade in Zeiten von vielen Fake News sehen wir es als unsere Aufgabe, ein Gegengewicht zu schaffen und mit seriösen Informationen zur Aufklärung beizutragen“, so der Kliniksprecher. Inzwischen ist das Klinikum aber auch auf Bluesky aktiv.
In der Wissenschafts- und Krisenkommunikation fällt der X-Ausstieg nicht so leicht
Ebenso plant die Universität Freiburg auf Bluesky eine Präsenz aufzubauen. Was X angehe, stelle man fest, dass die Plattform X „zunehmend an Reichweite und Funktionalität für die Hochschul- und Wissenschaftskommunikation“ verliere, sagt die leitende Uni-Pressesprecherin Rimma Gerenstein. Außerdem sei auf X „seit einiger Zeit eine ansteigende Verbreitung von unter anderem gewaltverherrlichenden und demokratiefeindlichen Inhalten zu verzeichnen. Zudem hat die Moderation solcher Inhalte stark nachgelassen“, sagt Gerenstein. Auf der anderen Seite könne die aktuelle Regierungsbildung in den USA neue Fragen aufwerfen. „Vor diesem Hintergrund diskutiert und prüft die Universität Freiburg aktuell, ob die Plattform X im Einklang mit ihrer Ausrichtung, ihrem Auftrag und den Bedarfen ihrer Zielgruppen steht“, so Gerenstein.
Das Regierungspräsidium Freiburg verfügt als hiesige Vertretung der baden-württembergischen Landesregierung ebenso über einen X-Account. „Natürlich diskutieren wir auch in unserem Haus über den Verbleib auf X“, sagt Pressesprecherin Heike Spannagel. Die Entwicklung der Plattform betrachte das RP „mit Sorge“. „Gleichzeitig gilt X weiterhin insbesondere in der Krisenkommunikation als wichtiger Informationskanal. Als höhere Katastrophenschutzbehörde haben wir im Notfall eine besondere Verantwortung und müssen sicherstellen, dass wir mit unseren Informationen möglichst viele Menschen erreichen“, so die RP-Sprecherin. Und auch Spannagel betont, wie wichtig es dem RP sei, in Zeiten zunehmender Desinformation „auf diesem Kanal und anderen sozialen Medien weiterhin seriöse Informationen“ anbieten zu wollen. Gleichzeitig ist das RP auf Mastodon und anderen Netzwerken aktiv. Grundsätzlich orientiere sich das RP aber an der Landesregierung, die mit fast allen Ministerien auf X unterwegs ist.
Dort nicht mehr aktiv ist das Studierendenwerk Freiburg, auch wenn der Account weiterhin existiert. „Wir haben uns schon vor einiger Zeit dafür entschieden, uns mit Instagram und Youtube auf nur zwei Social-Media-Kanäle zu konzentrieren, die unserer Meinung nach für unsere Zielgruppen und unsere Zielsetzungen am besten geeignet sind“, sagt Petra Dobronn, Referentin der Geschäftsführung. Und bei den Klimaaktivisten von Fridays for Future (FFF) Freiburg „finden wir so ziemlich alles was Elon Musk die letzten Jahre gemacht hat, höchst problematisch und das Gesprächs-Klima auf Twitter absolut untragbar“, sagt Merlin Geburek von FFF Freiburg. „Regelmäßig“ werde deshalb darüber diskutiert, den Account zu deaktivieren. „Löschen würden wir ihn wohl nicht, aus Sorge vor Imitationen“, so Geburek.