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Von der Notwendigkeit zur Haltung: Was die Kundschaft von Second-Hand-Shops bewegt

Den eigenen Stil finden mit individuellen Stücken – das macht für viele Second-Hand-Kunden den Reiz aus. Foto: Goffkein / Adobe stock

Ob aus finanzieller Not, dem Wunsch nach Individualität oder einem echten Nachhaltigkeitsbewusstsein – Second-Hand-Mode liegt im Trend. Doch was treibt die Menschen wirklich in die Läden mit gebrauchter Kleidung? Anbieter aus Freiburg geben Einblick in eine Branche im Wandel.

„Der Wunsch, Kleidung zu finden, die es so nicht überall gibt, bleibt konstant“, sagt Marcel van Haaren, Inhaber des Second-Hand-Ladens Schlepprock. Was sich allerdings verändert hat, ist die Zusammensetzung der Kundschaft – und ihre Motive. Die Spinnwebe, ein soziales Second-Hand-Kaufhaus in Weingarten, spürt, dass Nachhaltigkeit für viele ein echtes Kaufargument ist. „Unsere Kundschaft ist in den letzten Jahren jünger und diverser geworden – das liegt vor allem am wachsenden Bewusstsein für Nachhaltigkeit“, berichtet Hermann Assies von der Spinnwebe. Eine Kundenumfrage im Sommer 2025 zeigt: 39 Prozent der Käuferinnen und Käufer sind unter 30 Jahre alt, 70 Prozent sind weiblich, 5 Prozent divers. Für viele spielt auch der Preis eine Rolle.

Die Erfahrung macht auch Heike Breitzke: Sie ist mit dem XXL FrauenStammtisch und dem K.I.O.S.K. im Rieselfeld Veranstalterin des XXL Kleidermarktes, der dieses Jahr zum zweiten Mal stattfindet und sich vor allem an mehrgewichtige Menschen richtet. „Oftmals müssen Mehrgewichtige auf den Internethandel zurück greifen um eine Kleiderauswahl an Qualität, Stoffen und Farben zu haben“, so Breitzke.

Sparen, retten – oder beides?

Viele Menschen auf dem XXL Kleidermarkt müssen auf das Budget achten, denn Kleider in großen Größen sei häufig sehr teuer, so Breitzke. „Hier kostet alles gerne Mal 20 Prozent mehr.“
Bei Schlepprock steht beides im Vordergrund: „Der Nachhaltigkeitsgedanke und das Sparen gehen Hand in Hand.“ Doch es geht auch um Stil und Individualität: „Viele suchen gezielt nach Kleidung, die nicht von der Stange ist.“ Etwa 70 Prozent der Artikel stammen aus dem Großhandel, der Rest wird von Privatpersonen angekauft. Van Haaren übt aber auch Kritik am Wirtschaftssystem: „Wirklich nachhaltiges Wirtschaften ist in einem System, das auf ständigem Konsum basiert, kaum möglich.“ Und: „Nachhaltig wäre es, eine Hose zu reparieren, statt sie wegzuwerfen.“ Für ihn ist der Begriff oft zu naiv verwendet – echte Nachhaltigkeit sei radikaler als das bloße Einkaufen im Second-Hand-Laden.

Auch die Stadt Freiburg möchte Waren eine zweite Chance geben: Noch dieses Jahr soll die „Fundfabrik“ eröffnet werden. Viele Dinge würden im Sperrmüll landen, obwohl sie noch gut sind, so Pressesprecher Kolja Mälicke: „Mit der Fundfabrik setzen wir da an und hoffen, dass die oft noch guten Gebrauchtgegenstände künftig ihren Weg in andere Haushalte und nicht in den Müll finden.“

„Viele Menschen mit ausreichend Geld kaufen aus Überzeugung bei uns ein“, so auch Assies. Ein Beispiel: Beim Neujahrsempfang in Weingarten trugen mehrere Frauen ihre Outfits fast komplett aus der Spinnwebe – mit Stolz. „Auch die Qualität unserer Waren spielt eine Rolle.“
Die Spinnwebe lebt fast ausschließlich von Spenden, oft begleitet von persönlichen Geschichten. Dabei geht es vielen nicht nur um Nachhaltigkeit, sondern auch um das soziale Element – etwas weiterzugeben, das anderen helfen kann. Doch die wirtschaftliche Lage macht sich auch in der Spinnwebe bemerkbar: „Aktuell erleben wir einen Rückgang der Verkaufserlöse. Die schwierige wirtschaftliche Situation trifft vor allem Menschen mit wenig Geld – und das spüren wir.“

Der nächste XXL Kleidermarkt findet am 2. November von 11 bis 15 Uhr im Glashaus im Rieselfeld mit über 30 Ständen statt. Eintritt frei.