„Heim-EM? Erst mal muss ich beim SC Gas geben“

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SC-Kapitän Christian Günter spricht im Wochenbericht-Interview über fehlende Neuzugänge, Noah Darvich und seine Ziele – mit der Mannschaft und persönlich

Bei der Rückkehr ins Dreisamstadion gehörte Christian Günter zu den Matchwinnern. Sein 20-Meter-Treffer fünf Minuten nach seiner Einwechslung brachte den SC im DFB-Pokal auf die Siegerstraße. „Ab und zu fällt halt mal einer rein“, sagt der 30-Jährige über sein Tor. Der SC-Kapitän hätte sich kaum besser aus seiner Verletzungspause zurückmelden können. Wie sehr ihn sein Armbruch wurmte, wie er das Warten auf Neuverpflichtungen einschätzt und wie er über die Heim-EM denkt, verrät der SC-Kapitän im Interview mit dem Freiburger Wochenbericht.

 

Das Trainingslager war für Sie von Ungeduld geprägt, weil Sie erst nicht mittrainieren konnten. Sind Sie froh, dass das vorbei ist?

Christian Günter: Auf jeden Fall. Da sieht man erstmal wie es denen Jungs geht, die länger verletzt sind. Wie schwer das für den Kopf ist, sich immer wieder zu motivieren und zuschauen zu müssen – das habe ich jetzt im Kleinen gesehen. Man will schnellstmöglich wieder auf den Platz. Da wird man schon ungeduldig.

Sie konnten jetzt die ersten Spielminuten sammeln nach Ihrer Verletzung. Wie gut klappt das?

Günter: Ganz gut. Ich habe jetzt eine neue Schiene, mit er es deutlicher besser ist und es sich sogar so anfühlt wie davor. Das ist wie eine Art Schienbeinschoner am Arm, so dass ich das Handgelenk frei bewegen kann. Und von der Fitness bin ich wieder auf einem sehr, sehr guten Stand.  In den paar Minuten im Pokal gegen Oberachern hat es sogar für ein Tor gereicht. Von daher hat alles gepasst.

Ein großes Thema waren die Ausfälle im Verlauf der Vorbereitung. Dem Trainer hat das nicht gefallen. Wie sieht’s der Kapitän?

Günter: Es ist immer am besten, wenn alle Spieler auf dem Trainingsplatz sind. Da geht es ums Einspielen und um die Fitness insgesamt. Dem Trainer schmeckt das natürlich noch viel weniger.  Aber das Gute ist, dass es bis auf Kofi (Daniel-Kofi Kyereh, d.R.) keine Langzeitverletzten gab. Und ich sag mal so: Lieber jetzt, als wenn wir während der Saison viele Ausfälle haben. Wir brauchen jeden Spieler, das hat man in der letzten Saison gesehen. Klar, der Ausfall vom Junior (Adamu, d. Red) tut weh. Den hätten wir schon sehr gerne auf dem Platz.

Und macht es Sie nervös, wenn weitere Neuverpflichtungen auf sich warten lassen? Oder ist das Vertrauen in die sportliche Leitung inzwischen so groß, dass man sagt, ’Die regeln das schon’?

Günter: Wenn man irgendwo Vertrauen in die sportliche Leitung haben kann, dann hier. Sie machen nur Sachen, die sinnvoll sind und nicht aus der Not heraus. Den einen oder anderen würden sie bestimmt gerne noch dazu holen –  gerade um die Konkurrenzsituation hoch zu halten. Schlussendlich ist das Transferfenster noch bis zum 1. September offen. Da kann noch sehr viel passieren. Und wir haben jetzt schon eine sehr schlagkräftige Gruppe beisammen.

Mit Ausnahme von Mark Flekken hat bis jetzt kein Stammspieler den Verein verlassen. Könnte sich das wieder als Vorteil erweisen?

Günter: Hoffentlich. Wir kennen uns alle. Wir kennen gewisse Abläufe untereinander. Wer wo seine Stärken hat, wer wo eingesetzt werden kann. Das hilft natürlich. Was aber nicht heißt, dass man gleich viel Erfolg hat. Wir werden aber alles versuchen, um wieder so erfolgreich zu sein.

Und von unten drängen Nachwuchskräfte nach oben, wie  Kenneth Schmidt oder Noah Atubolu. Überrascht Sie dieser Talentepool?

Günter: Nein, ich kenne das ja nicht anders. Natürlich gibt es auch mal schwächere Jahrgänge. Aber das war früher schon so. Ich find’s natürlich super, dass gerade die letzten zwei, drei Jahre extrem viele den Weg zu uns in den Kader geschafft haben und Bundesliga spielen können. Das freut mich, weil das der Weg ist, den der SC schon über Jahre geht und den wir auch weiterhin gehen sollten. Es wird nicht einfacher Spieler zu verpflichten. Die Summe gehen immer weiter nach oben. Deshalb ist es  das beste Mittel, junge Spieler zu entwickeln.

...die den Eablierten dann einheizen?

Günter: Absolut. So wird jeder besser – dass man in jedem Training Gas geben muss. Nur so bringt man eine Mannschaft nach vorne.

Wie bewerten Sie den Wechsel von Noah Darvich, der mit 16 Jahren zum FC Barcelona gewechselt ist?

Günter: Das ist der Lauf der Dinge, dass junge Spieler bei solchen Angeboten ernsthaft darüber nachdenken – auch wenn das sicher keine einfache Entscheidung war. Ich persönlich hätte gesagt, dass hier ein sehr guter Weg vor ihm liegt. Mit 16 Jahren im Herrenfußball in der Dritten Liga anzukommen,   wäre ein sehr, sehr  guter Schritt gewesen. Dort hätte er sich jederzeit für mehr empfehlen können. Aber die Entscheidung muss man akzeptieren. Ich werde das nun von der Ferne aus verfolgen.

Sie selbst waren bei einer EM und einer WM dabei – auch ohne den SC verlassen zu haben. Ist das eine Botschaft, die Sie an jüngere Spieler weitergeben?

Günter: Das ist etwas komplett Individuelles. Der Verein hat sich über die Jahre entwickelt, und so konnte ich mich mit auch entwickeln, mit einer gewissen Kontinuität und harter Arbeit. Und natürlich ist es so, dass mancher junge Spieler nicht zu früh anfangen sollte, zwei Schritte vor dem ersten Schritt zu tun. Ich glaube, dass da eine gewisse Geduld gefragt ist. Dass aber, wie in meinem Fall, ein Spieler vielleicht sein Leben lang bei einem Verein bleibt, wird es in Zukunft noch seltener geben.

Was sind Ihre Ziele mit dem SC?

Günter: Wir müssen das Bewusstsein haben, dass es in jedem Spiel um sehr, sehr viel geht. Und dann versuchen, das Maximale herauszuholen. Irgendwelche Ziele können wir uns im Laufe der Saison stecken. Jetzt am Anfang geht es darum schnellstmöglich so viele Punkte wie möglich zu holen. Ein guter Start ist da entscheidend.

Und persönlich?

Günter: Ich hoffe, dass ich wieder viele Spiele spielen kann, der Mannschaft helfen kann  und mich in allen Bereichen verbessern kann. Dann hoffe ich natürlich auch, dass ich bei der Nationalmannschaft wieder eine Rolle spielen kann.

Die Heim-EM schwirrt bei Ihnen also im Hinterkopf herum?

Günter: Das wäre natürlich etwas Außergewöhnliches für mich. Ich war bei einer EM dabei, bei einer WM. Aber eine Heim-EM ist noch einmal was ganz anderes. Aber ich weiß: Ich muss hier beim SC Gas geben, Leistung bringen, um mich bei Hansi Flick empfehlen zu können. Das steht und fällt mit meiner Leistung beim SC. Dass ich mich mega freuen würde, da dabei zu sein, steht außer Frage. Es ist eh eine Ehre für Deutschland zu spielen. Aber wie gesagt: Die Hausaufgaben muss ich hier machen.

Das Interview führte Matthias Joers