Mehr wissen, wenn die Erde bebt

Lokales

Seit 30 Jahren erforscht der Landeserdbebendienst in Freiburg die Erdbeben in der Region.

Keine andere Region in Deutschland ist so häufig von Erdbeben betroffen wie Baden-Württemberg. In Freiburg erforscht der Landeserdbebendienst (LED) seit 1993 die immer wieder auftretenden Beben und informiert die Bevölkerung darüber. Bei einer Tagung im Freiburger Regierungspräsidium anlässlich des Jubiläums des LED geht es in diesen Tagen aber auch über Beben auf dem Mond und dem Mars, den Anschlag auf die Nord Stream II Pipeline und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Dreiländereck, denn Erdbeben wie im September 2022 im Elsass hören  an der Landesgrenze nicht auf, wie der Geophysiker und Seismologe Stefan Stange berichtet.


Taylor Swift-Konzert mit 
2,3 auf der Richterskala

Stange ist Leiter des LED in Freiburg. „Erdbeben vorhersagen können wir zwar noch nicht“, sagt der Wissenschaftler. „Aber wenn man keine Vorhersagen treffen kann, muss man sich um die Vorsorge kümmern. Und dazu gehört die Beobachtung der Beben, um zum Beispiel Vorschriften für erdbebensicheres Bauen erarbeiten zu können. Verhaltensmaßregeln gehören auch dazu.“ In unseren Breiten sei die Bausubstanz in der Regel so gut, dass kein Gebäude bei einem Beben einstürzt. Darum raten Experten wie Stange auch, im Fall eines Bebens nicht nach draußen zu rennen. Da wäre die Gefahr viel größer, dass einem beispielsweise ein Ziegel auf den Kopf fällt, als beim Verbleib im Haus, zum Beispiel unter einem stabilen Tisch. In anderen Regionen der Welt sei dies anders, wie zuletzt die Katastrophen in der Türkei und Marokko mit zahllosen zerstörten Wohnhäusern gezeigt haben.
Das stärkste Beben in der Region in den vergangenen Jahrzehnten ereignete sich 2004 bei Waldkirch/Kreis Emmendingen. Es hatte eine Stärke von 5,4 auf der Richterskala. Und löste Angst und Schrecken aus: „Ich habe damals im Hochschwarzwald nicht weit weg vom Epizentrum gewohnt und bin regelrecht aus dem Bett gesprungen, als das Beben kam“, erinnert Stange sich. Er sei dann sofort nach Freiburg ins Büro gefahren, um zu schauen, was genau passiert war. „Damals haben die Menschen sich noch nicht so viel im Internet informiert wie heute. Man konnte die Bebentätigkeit noch nicht bei uns im Internet abrufen. Aber die Notrufleitungen sind regelrecht zusammengebrochen.“ Grundsätzlich gelte der Rat, bei einem Erdbeben nicht den Polizeinotruf anzurufen, es sei dann man ist wirklich in Not, sondern sich beim LED zu informieren. „Es ist dann sehr erleichternd, wenn man weiß, dass es ein Beben war und nicht, dass ein Atomkraftwerk in die Luft geflogen ist“, so der Wissenschaftler. 
Das funktioniert mittlerweile auch ganz gut: Als zuletzt im vergangenen September die Erde bei Mulhouse im Elsass stark gebebt habe, seien binnen eines Tages rund 6000 Aufrufe auf den Internetseiten des LED registriert worden. „Da sind wir auch der Presse dankbar, die unsere Arbeit immer wieder begleitet und so den Erdbebendienst bekannt gemacht hat in der Bevölkerung“, sagt Stefan Stange. „Es ist immer gut, wenn die Menschen uns berichten, was sie von einem Beben mitbekommen haben und was oben ankommt. Wir messen ja nur, was in der Erde passiert. Diese Beobachtungen und die schnelle Information darüber sind unser Hauptgeschäft“, berichtet der Forscher.
Seismisch messbar ist übrigens vieles, und seismische Messungen kann man an vielen Orten durchführen, sogar auf dem Mond und dem Mars, wo Seismometer installiert sind, die Mars- und Mondbeben messen und Auskunft über die Beschaffenheit dieser Himmelskörper geben. Aber auch Massenveranstaltungen in Fußballstadien, zuletzt ein Konzert von Pop-Sängerin Taylor Swift in Seattle in den USA, oder Sprengungen wie beim Nord Stream II-Anschlag werden von den Geräten der Erdbebendienste gemessen. Das Swift-Konzert löste das Äquivalent eines Bebens der Stärke 2,3 aus und machte weltweit Schlagzeilen. Aber im Grunde, so Stefan Stange, hätte das eine andere Band in einem Stadion auch verursachen können. (BP)