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Eine Million verkaufte Exemplare der Freiburger Straßenzeitung

Oliver Matthes, Ekkehard Peters und Karsten Koeleman (v.l.). Foto: SchwendeOliver Matthes, Ekkehard Peters und Karsten Koeleman (v.l.). Foto: Schwende

Freiburgs unabhängige Straßenzeitung, der „Freie Bürger“, feiert eine Million verkaufte Exemplare. Auf diese Zahl sind die Herausgeber stolz, denn sie steht für eine Million Euro als Hilfe zur Selbsthilfe für Menschen, die am Existenzminimum leben.

Seit seiner ersten Ausgabe 1998 wird der „Freie Bürger“ überwiegend durch obdachlose Menschen verkauft. Nun möchte der gleichnamige Verein, der die Straßenzeitung herausgibt, noch mehr Menschen als Verkäufer der Straßenzeitung und Unterstützer gewinnen.

Denn eine Million verkaufte Exemplare der Straßenzeitung in 27 Jahren heißt auch, dass zahlreiche obdachlose oder aus unterschiedlichen Gründen am Existenzminimum lebende Menschen in Freiburg durch den Verkauf eine Million Euro verdienen konnten. Vom Verkaufspreis von derzeit 2,10 Euro erhalten die Verkäufer einen Euro. Geld, für das sie nicht betteln müssen, das das Bürgergeld oder die kleine Rente aufbessern kann.

Doch neben dem Verdienst spiele der Gewinn an Selbstwertgefühl durch den Kontakt und die Gespräche mit den Kunden eine große Rolle, sagt Karsten Koeleman, der ehrenamtlich den Verkauf koordiniert und selbst regelmäßig an seinem Verkaufsstandort in der Freiburger Innenstadt anzutreffen ist.

Interessante Gespräche

Oft ergeben sich beim Verkauf Gespräche über andere Themen. Regelmäßig wird Koeleman als ursprüngliches Nordlicht beispielsweise von Stammkunden auf die Spiele seines Fußballvereins, den FC St. Pauli, angesprochen. Käufer der Straßenzeitung interessierten sich für den Menschen, der ihnen die Zeitung verkaufe, sagt Koeleman. Manchmal hätten sich daraus sogar Jobs oder eine Wohnmöglichkeit für die Verkäufer ergeben.

Oft seien es kleine Gesten, die berührten, sagt Koeleman und hat ein besonderes Beispiel: Ein Stammkunde unterhielt sich gerne mit einem jungen Verkäufer über Spiele des SC Freiburg und schenkte ihm eines Tages ein Ticket für ein SC-Spiel. „Der Kerl hat sich unglaublich gefreut, endlich seinen Verein einmal live erleben zu können. Er hatte Tränen in den Augen.“

Rund 30 bis 60 Menschen verkaufen die monatlich in einer Auflage von 5.000 Exemplaren erscheinende Straßenzeitung an festen Standplätzen in der Innenstadt und den Stadtteilen von Freiburg. Als Verkäufer für den „Freie Bürger“ könne sich jeder einsetzen, keineswegs nur obdachlose Menschen, sagt Oliver Matthes, der im Team der Straßenzeitungsmacher für Redaktion, Anzeigen und Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Der Job biete viele bereichernde Erfahrungen, sagt Ekkehard Peters, der für das Layout des „Freien Bürgers“ verantwortlich und wie Mattes beim Verein fest angestellt ist.

Aktuelle Ausgabe des Freien Bürgers. Foto: Freie Bürger

In ihrem Redaktionsbüro im Stühlinger stellt das kleine Team des „Freien Bürgers“ jeden Monat mit viel Herzblut ein Magazin zusammen, das auf rund 30 Seiten aktuelle Themen in Freiburg aus der Perspektive von sozial schwachen Menschen beleuchtet. Der „Freie Bürger“ sei, was die Auflagezahlen betrifft, zwar eine der kleinsten Straßenzeitungen in Deutschland, aber dafür sei man unabhängig von großen Trägern. Die Unabhängigkeit von denkbaren Trägern, wie Diakonie oder Caritas, ist dem Team der Straßenzeitung wichtig. Sie wollten eine Zeitung „mit Blickwinkel von unten“ für alle machen, sagt Peters. Dafür schreiben neben den Redakteuren auch zahlreiche ehrenamtliche Autoren regelmäßig Beiträge.
Die aktuelle Ausgabe hat das Thema Wohnungsnot in Freiburg zum Schwerpunkt. Ein Klassiker ist die Serie „900 Jahre Armut in Deutschland“, von Carsten Kallischko. Auch Kultur und Sport, Rezepte und eine Rätselseite haben Stammplätze in der Straßenzeitung. „Wir wollen in unserer Zeitung nicht nur kritisieren und soziale Missstände beleuchten, sondern auch gute Laune verbreiten“, sagt Peters. Heike Schwende