Illegale Graffiti sind vor allem ein finanzielles Thema: Rund 160.000 Euro zahlt die Stadt im Jahr für ihre Beseitigung. Nur wenige der Täter werden erwischt. Um das Sprayen als Kulturpraxis zu etablieren, bietet die Stadt legale Sprayflächen: Doch das Illegale hat seinen Reiz.
Schmierereien an Gebäuden, Brücken und Straßenschildern sind nicht nur Sachbeschädigung, sie beeinträchtigen auch das Straßenbild. 598 Anzeigen wegen illegaler Graffiti gab es 2024 in Freiburg. Das Dunkelfeld ist höchstwahrscheinlich größer. Und: Die Zahl ist zuletzt gestiegen, denn 2023 waren es nur 445 Fälle. Für den Zeitraum Januar bis August seien die Zahlen wieder rückläufig, so Árpád Kurgyis, Pressesprecher der Polizei. Die meisten Täter bleiben anonym: Nur 40 Fälle konnten 2024 aufgeklärt werden, sagt Kurgyis. Einige der Täter treten auch mehrmals wegen ihrer Graffiti polizeilich in Erscheinung.
Einer dieser Fälle ist Markus. Seinen echten Namen möchte er nicht nennen, er ist der Redaktion bekannt. Mit 13 Jahren griff Markus Anfang der 2000er das erste Mal zur Spraydose. Dazu kam er durch seinen Freundeskreis. Die damals angesagte Musik hatte die Kinder dazu inspiriert: In Markus’ Fall in erster Linie Hip-Hop.
In der Gruppe – seltener auch alleine – seien sie auf Touren gegangen und hätten erst wahllos Wände besprüht. Die Dosen waren anfangs aus dem Baumarkt – oft geklaut, denn Geld hätten sie keines gehabt, sagt er. Später wurde alles professioneller: Die Dosen stammten aus dem Fachhandel, sie probierten verschiedene Aufsätze aus.
„Ich habe überall hingetagged, egal wo.“
Markus und seine Freunde kundschafteten die Örtlichkeiten schon Tage vorher aus, suchten nach Fluchtwegen. „Wir haben Sicherheitsdienste und Streifenwagen beobachtet, um die beste Uhrzeit rauszufinden, damit wir nicht erwischt werden“, sagt Markus. Je aufwändiger das Bild, so die Faustregel, umso mehr Organisation steckt dahinter. Die Intention dahinter war für ihn immer, das eigene Tag, also den eigenen Decknamen so viel wie möglich verbreiten: Auch an den unmöglichsten Orten. „Ich habe überall hingetaggt, egal wo.“
Auch Rivalität spielt in der Szene eine Rolle. „Im Prinzip nimmt man sich ein Stück der Stadt“, sagt Markus. Den eigenen Namen an einem Gebäude zu sehen, habe ihn stolz gemacht. Auch, warum Züge so gerne besprayt werden, weiß Markus: „Ein Zug ist wie eine mobile Wand, die durch ganz Deutschland oder zumindest Baden-Württemberg fährt“, erklärt er. Manche Sprayer organisieren sich Schlüssel zu den DB-Sicherheitsbereichen, andere brechen die Schlösser schlicht auf.
Was das Alter der Täter angeht, bewegte Markus sich im Mittelfeld: Laut Statistik der Polizei zeigt sich, dass vor allem Jugendliche und Erwachsene illegal zu Spraydose greifen: 17 Jugendliche und 26 Erwachsene konnten 2024 ermittelt werden. Bei den Heranwachsenden konnten nur fünf Täter ermittelt werden. „Dass es mehr ermittelte Tatverdächtige als aufgeklärte Fälle gibt, liegt daran, dass an einer Tat auch mehrere Tatverdächtige beteiligt gewesen sein können“, so Kurgyis – so auch in den Fällen, an denen Markus beteiligt war.
In der Zwischenzeit ist Markus Mitte 30. Die Zeit, in der er gesprayt hat, ist lang vorbei. Mit 18 Jahren erwischte ihn die Polizei inflagranti: „Ich habe immer wieder an die gleichen Wände gemalt und irgendwann wurde ich dabei gefilmt.“ Wenn sein Tag übermalt worden sei, habe er sich provoziert gefühlt und es am nächsten Tag wieder auf die Wand gesprayt. „Es war ein reines Katz-und-Maus-Spiel, das ich am Ende verloren habe.“ Von der Polizei gejagt zu werden, sei ein Teil des Reizes gewesen.
Heute sieht er den Reiz nicht mehr: „Als Erwachsener erwischt zu werden, ist eine ganz andere Sache“, sagt er heute. Damals habe er Sozialstunden und eine Geldstrafe bekommen, andere Sprayer aus seinem Umfeld hätten aber auch Haftstrafen erhalten. „Wegen sowas die Polizei im Haus zu haben und die Familie in finanzielle Nöte zu stürzen – das ist es einfach nicht wert.“
Ein teurer „Spaß“
Zur Geldstrafe kommen auch die Kosten für die Reinigung, die die Täter tragen müssen – Schulden, die Markus noch heute abzahlt.
Auch die Stadt kämpft mit immensen Kosten für die Reinigung: Für das Beseitigen illegaler Graffiti an städtischen Gebäuden und Fassaden seien in den vergangenen fünf Jahren im Mittel ungefähr 160.000 Euro investiert worden, so Toni Klein, Pressesprecher der Stadt Freiburg. Privateigentümer konnten bis 2021 Mittel zur Entfernung von der Stadt bekommen, die angespannte Haushaltslage macht das nun aber unmöglich.
Seit Anfang der 2000er-Jahre gibt es in Freiburg 14 legale Flächen, an denen gesprüht werden darf. Wie gut diese angenommen werden, lässt sich aber nicht sagen: „Weil es legale Flächen sind, schauen wir nicht nach, wann und wie oft da jemand sprayt“, sagt Klein. Genutzt werden sie aber – auch von Markus. Nur nicht so häufig, wie in seiner Jugend.
Eine Übersicht der legalen Graffiti-Flächen ist hier zu finden: www.freiburg.de/pb/359720. Kontakt zur Initiative „Kooperation gegen illegale Graffiti“ gibt es unter graffiti@freiburg.de