Die Alte Dame und die Leichtigkeit

„Wir sind da, wo andere gerne wären“: Vor dem Rückspiel gegen Juventus Turin steht beim SC die Suche nach dem Flow weiter ganz oben

Welche Maßstäbe sollte man an den SC Freiburg in der gegenwärtigen Lage anlegen? Mit dieser Frage setzte sich Michael Gregoritsch am Sonntag nach dem Last-Minute-Sieg gegen Hoffenheim auseinander. Dem SC-Stürmer war nicht entgangen, dass in letzter Zeit vor allem das Freiburger Offensivspiel vermehrt kritisch beäugt wurde. Zu Recht, wie auch Gregoritsch einräumte. Und dennoch: „Wir haben 45 Punkte und zählen, wie wenig Torchancen wir uns herausspielen“, so der Österreicher. Denn auch das ist eine Tatsache: „Wir stehen dort, wo andere gerne sein würden“, sagt Gregoritsch.
Das gilt erst recht, wenn man auf das kommende Spiel am Donnerstag blickt (18.45 Uhr / Livestream auf RTL+): Juventus Turin, der Rekordmeister der italienischen Serie A, reist in den Breisgau, um im Rückspiel des Europa-League-Achtelfinales gegen den SC Freiburg für klare Verhältnisse zu sorgen. Die Mehrzahl der deutschen Profivereine würde sich nach so einem Pflichtspiel die Finger lecken.
Bei ihrem Ausflug ins Südbadische haben die Bianconeri um Juve-Trainer Massimiliano Allegri den 1:0-Sieg aus dem Hinspiel im Gepäck. Vor der Partie stellte Allegri die Rückkehr von Federico Chiesa und Weltmeister Ángel di María in Aussicht – Chiesa wurde gegen Freiburg verletzt ausgewechselt und 1:0-Torschütze di María pausierte am Sonntag im Ligaspiel gegen Sampdoria Genua. 4:2 gewann Juve gegen das Schlusslicht der Serie A. Dabei zeigten sich die Turiner in der Abwehr nachlässig, kassierten nach früher 2:0-Führung das zwischenzeitliche 2:2. Juventus, das am kommenden Sonntag beim Tabellenzweiten Inter Mailand spielt, richtet den Fokus nun voll auf die Europa League: „Das wichtigste Spiel für uns ist das gegen Freiburg“, sagt Allegri. Sorgenfrei ist der turmhohe Favorit aber keineswegs. Mittelfeldstar Paul Pogba wird wie schon im Hinspiel, als ihn Allegri aus disziplinarischen Gründen aus dem Kader strich, ausfallen – Grund sind muskuläre Probleme. Eine versteckte Botschaft für den SC hatte der Juve-Coach dann auch noch auf Lager. Angesprochen auf seinen erneut torlosen serbischen Stürmer Dušan Vlahovic sagte er: „Vielleicht trifft er ja am Donnerstag.“
Unterkommen werden die Turiner im Freiburger Colombi-Hotel. Ein öffentliches Training absolvieren sie allerdings nicht in der Stadt. Und der SC? Für die Mannschaft von Trainer Christian Streich wird es – Stichwort Durchschlagskraft – erneut darum gehen, die Offensivspieler im richtigen Moment in Szene zu setzten. „Leicht fällt es uns im Moment nicht, wir müssen gnadenlos arbeiten“, sagte Streich, und verwies auf das Fehlen des langzeitverletzten Daniel-Kofi Kyereh und des im Winter nach England gewechselten Kevin Schade – zwei Offensivoptionen, die den SC in der Hinrunde vorne variabler gemacht hatten. Aber seine Mannschaft, so Streich, habe die richtige Einstellung: „Die Jungs malochen dermaßen, dass wir es schaffen gegen Leverkusen, Frankfurt und Gladbach einen Punkt zu holen. Das hat ja auch was mit Beständigkeit zu tun.“ Und auch mit dem Hinspiel in Turin sei er zufrieden gewesen, so Streich: „Wir haben gefightet, wir haben umgeschaltet, wir haben alles gegeben.“
Die Suche nach der offensiven Leichtigkeit bleibt aber das Thema der Freiburger, sagt auch SC-Spieler Ritsu Doan. Ein Tor zu erzielen, wie es dem Japaner gegen Hoffenheim in der 89. Minuten gelang, ist da schonmal ein guter Anfang – auch für ihn persönlich: „Ich hoffe, dass ich das fortsetzen kann und ich in einen Flow komme“, sagt Doan. Klar sei aber auch, dass sich die Gegner auf den SC eingestellt hätten. Das mache alles schwieriger, so der 24-Jährige.
Neben der Fitness im Kopf wird es gegen Juventus Turin auch auf die körperliche Gesundheit ankommen. Hinter Philipp Lienhart, der nach einem Schlag auf den Oberschenkel im Hinspiel am Sonntag pausierte, steht noch ein kleines Fragezeichen. „Es scheint keine strukturelle Verletzung zu sein. Es sieht nicht schlecht aus“, sagt SC-Trainer Streich. Lienhart ersetzte gegen Hoffenheim Manuel Gulde, der mit einer Quote von 91 Prozent gewonnener Zweikämpfe glänzte. „Er hat ein super Spiel gemacht“, so Streich. SC-Kapitän Christian Günter jedenfalls sieht sein Team gut gewappnet für Donnerstag: „Jetzt regenerieren wir drei Tage und dann werden wir auf Juve losgehen. Wir wollen nicht schöne Gastgeber sein, sondern wir wollen gewinnen.“

Matthias Joers


„Wir wollen nicht schöne Gastgeber sein, sondern wir wollen gewinnen.“
Christian Günter, SC-Kapitän

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