„Bäume und Gräser blühen früher“
Die Pollensaison hat begonnen und dauert immer länger – Aufgrund des Klimawandels nimmt die Zahl der Allergiker zu – Interview
Juckende Augen und triefende Nasen sind für Heuschnupfen-Geplagte derzeit wieder Alltag. Wie steigende Temperaturen aufgrund des Klimawandels den Pollenflug beeinflussen und was die Allergie-Symptome lindert, erklärt Dr. Sabine Müller, Leiterin der Allergologie an der Uniklinik Freiburg im Gespräch mit Saskia Schuh.
Frau Dr. Müller, welche Pollen machen Allergikern derzeit am meisten zu schaffen?
Sabine Müller: Aufgrund des milderen Wetters blühen Erle und Hasel schon, sodass gerade die Allergiker, die auf die Frühblüherpollen reagieren, bereits Beschwerden haben. Besonders die Birkenpollen-Allergiker können durch die hohe Kreuzaktivität zwischen den Pollensorten aktuell bereits Symptome entwickeln.
Erleben Sie bereits einen Ansturm der Heuschnupfen-Geplagten?
Müller: Den saisonalabhängigen Ansturm kriegen wir an der Uniklinik verzögert mit. Die ersten Anlaufstellen sind beispielsweise der Hausarzt oder der niedergelassene Allergologe. Zu uns kommen die meisten Betroffenen dann erst gegen Ende oder nach der Saison, wenn es um eine Desensibilisierung geht.
Nimmt die Zahl der Allergiker zu und wenn ja – warum?
Müller: Ja, die Zahl nimmt zu. Dafür sorgt zum einen der Klimawandel mit den steigenden Temperaturen, dazu kommt, dass sich die Blühsaison der Bäume und Gräser verlängert. Diese fangen früher an zu blühen und produzieren mehr Pollen. Dadurch sind die Allergiker länger von Symptomen betroffen. Außerdem tragen Umweltschadstoffe wie Feinstaub oder Stickoxide dazu bei, dass die Pollen aggressiver werden. Es gibt bestimmte Eiweiße in den Pollenkörnern, die durch diese Einflüsse verstärkt die Hautbarriere durchdringen können und so die Entstehung von Allergien fördern. Es ist auch so, dass man in der Stadt eher zu Allergien neigt, wenn man auf dem Land lebt oder dort aufgewachsen ist, weniger. Es ist davon auszugehen, dass der Trend anhält und es immer mehr Allergiker geben wird.
Wenn sich die Blühsaison immer mehr verlängert, haben Allergiker bald keine Ruhe mehr vor der laufenden Nase?
Müller: Teilweise haben wir tatsächlich Patienten mit vielen Allergien, die keine Ruhephase mehr dazwischen haben, in der sie beschwerdefrei sind. Das ist mittlerweile schon eher ein fließender Übergang, das schränkt natürlich die Lebensqualität erheblich ein.
Was hilft am besten, um den Heuschnupfen zu lindern?
Müller: Wenn man akut Probleme hat, empfehlen wir eine Dreier-Kombination: die Einnahme von einem Antihistaminikum – in Form von Tabletten und Augentropfen sowie cortisonhaltiges Nasenspray. Damit sollte man beginnen, wenn die ersten Symptome da sind und bis zum Ende des Pollenflugs konsequent weitermachen – nicht nur ab und an. Das lindert jedoch nur die Symptome, eineImmuntherapie kann man nicht beginnen, wenn es akut ist. Eine Desensibilisierung ist dann sehr sinnvoll und empfehlenswert, wenn der Pollenflug vorbei ist. Das macht man in Form von Tabletten oder Spritzen drei Jahre lang. So wird das Immunsystem quasi umgeschult, damit es auf Pollen nicht mehr so überempfindlich reagiert. Dadurch können die Beschwerden langfristig deutlich reduziert werden.
Gibt es auch wirksame Hausmittel bei akuter Pollenallergie?
Müller: Helfen kann beispielsweise eine Nasendusche, am Besten zwei Mal täglich. Die spült die Pollenkörner von der Oberfläche der Schleimhaut weg und befeuchtet diese. Auch pflegende Nasensprays können Linderung verschaffen.