Zum ersten Mal seit mehr als 150 Jahren lebt wieder ein Wolfsrudel in Baden-Württemberg. Der Beweis: Ende Juli tappte ein Wolfswelpe in eine Fotofalle im Schluchseegebiet. Was das für den Schwarzwald bedeutet, erklärt Felix Böcker, Wolfsexperte der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) Freiburg im Gespräch mit
Saskia Schuh.
Herr Böcker, nun ist es amtlich, dass es Wolfnachwuchs gibt. Müssen wir uns nun daran gewöhnen, dass bald einige Rudel durch den Schwarzwald streifen?
Felix Böcker: Genau so ist es. Bis Anfang des Jahres gab es ja nur einzelne männliche Tiere, die sesshaft waren, nun haben sich ein Rüde und eine Fähe gefunden. Aus fachlicher Sicht ist das verwunderlich, dass das nicht früher der Fall war. Wir rechnen in den nächsten Jahren mit der Zuwanderung weiterer Tiere, die sich hier niederlassen, es wird also mehrere Rudel im Schwarzwald geben.
Glauben Sie, dass es weitere Welpen gibt und wann gehen die Jungen ihre eigenen Wege?
Böcker: Eine Fähe wirft im Durchschnitt vier bis sechs Welpen, wir vermuten, dass es weitere gibt. Das werden wir in den kommenden Monaten herausfinden. Die Welpen erkunden erst den Bereich rund um die Wurfhöhle, im Winter gehen sie dann wohl etwas weiter. Mit sechs bis sieben Monaten sind die Welpen bereits fast so groß wie ausgewachsene Wölfe und laufen mit dem Rudel mit. Die Jungen wandern meist im zweiten Lebensjahr ab, wenn sie geschlechtsreif sind. Ihr Territorium erstreckt sich dann auf rund 200 bis 300 Quadratkilometer. Manche bleiben aber auch länger und unterstützen die Elterntiere in der Aufzucht weiterer Welpen.
Das erste Wolfrudel seit mehr als 150 Jahren in Baden-Württemberg – wie ist die Stimmung unter den Nutztierhaltern?
Böcker: Das Thema Wolf und Nutztierhaltung ist schon immer ein schwieriges mit sehr vielen Herausforderungen. Dort, wo Wölfe leben, ist damit zu rechnen, dass sie Nutztiere reißen, deshalb sollte man in der Region darauf vorbereitet sein. Da ist der Austausch zwischen dem Land und den Verbänden der Nutztierhalter seit Jahren schon sehr gut. Natürlich steht die Sorge im Raum, wie es weiter geht. Hier ist es wichtig, dass das Land, die Verbände und die Wissenschaft für praktikable Lösungen gut zusammenarbeiten.
Das Thema wird auch in den sozialen Netwerken heiß diskutiert. Hier werden auch Sorgen geäußert, man könne jetzt nicht mehr mit dem Hund oder Kindern im Wald spazieren gehen.
Wie sehen Sie das?
Böcker: Diese Ängste sind grundsätzlich nachvollziehbar. Man ist nicht mehr an Wolfsvorkommen gewöhnt. Aber trotzdem ist der Wolf wie andere Wildtiere: er meidet den Menschen, sodass Begegnungen sehr sehr selten sind. Wenn man doch mal einen sieht, dann reicht es in der Regel, wenn man auf sich aufmerksam macht, spricht oder ruft, dann zieht er sich zurück.
Wie geht es jetzt weiter?Böcker: Das Wolfmonitoring der FVA läuft weiter, wir sammeln weitere Informationen über das Rudel und stehen in engem Kontakt mit Personen aus der Jagd und dem Forst. Die Wildkameras nehmen eine wichtige Rolle ein, darüberhinaus sind Wolfslosungen, also Kot oder andere Spuren interessant, die wir genetisch untersuchen. Wir beobachten, in welchen Regionen noch Wölfe auftauchen und versuchen mehr darüber herauszubekommen, wie sie sich verhalten – zum Beispiel im Zusammenhang mit Nutztierrissen. Wenn jemand Hinweise findet, oder Wölfe sieht, ist das sehr hilfreich, wenn man uns dies auf unserer Homepage unter www.fva-bw.de/monitoring-luchs-wolf meldet.