Für sie ist die Veröffentlichung von ChatGPT nicht weniger als eine Revolution: vergleichbar mit der Erfindung des Internets. Inwiefern der Chatbot unseren Alltag verändert und welcher neue Meilenstein die Nutzer jetzt erwartet, erklärt Informatik-Professorin Hannah Bast von der Universität Freiburg im Gespräch mit Saskia Schuh.
Frau Bast, Sie nannten ChatGPT eine Revolution. Inwiefern hat das Programm, das Texte und Informationen in Sekundenschnelle liefert, bisher unseren Alltag revolutioniert?
Hannah Bast: In der Tat ist das eine große Revolution, die passiert aber nicht sofort. Ich vergleiche das gerne mit der Einführung des Internets. Anfang der 90er-Jahre hat sich nicht sofort die Welt verändert, das dauert noch ein paar Jahre, bis es in der großen Breite im Alltag ankommt. Für einzelne Menschen hat sich aber schon sehr viel verändert.
Zum Beispiel, wer nutzt die KI im Alltag hauptsächlich?
Bast: Bisher probieren es die meisten eher nur mal aus. Aber für Menschen die damit arbeiten, hat sich viel getan. Beispielsweise bei Softwareentwicklern lässt sich die Produktion dank der KI unglaublich steigern. Ähnlich wie beim Internet: einen Brief zu verschicken hat zuvor seine Zeit gebraucht, online geht das heute in Sekundenschnelle. Auch in der Wirtschaft passiert viel, jeden Tag kommt ein neues innovatives Projekt heraus. In der Medizin kann die KI auch viele Vorteile bieten. Zum Beispiel beim Beratungsgespräch für eine Operation. Das kann super eine KI machen, der kann man unendlich viele Fragen stellen, sie ist sehr kompetent und spart dem medizinischen Personal Zeit.
Wo sind die Schwächen?
Bast: Ein Schwachpunkt der Technologie ist die Zuverlässigkeit in Bezug auf Faktenwissen, beispielsweise wenn man etwas recherchiert, sind da manche Dinge eben nicht richtig. Oder wenn wir das Beispiel von eben nehmen auch bei der Entwicklung einer Software. Wenn in dem Code ein Fehler ist und ich keine Ahnung vom Programmieren habe, war’s das. Die KI liegt zwar sehr oft richtig, aber eben nicht immer. Das ist ein tieferes Problem, da ist es im Moment noch nicht klar, wie man Ergebnisse mit einer absoluten Zuverlässigkeit bekommt.
Das Thema ist ja auch eine Herausforderung für die Lehre an Schulen oder Unis – hat sich hier seit der Einführung von ChatGPT etwas verändert?
Bast: Schon einiges. Vor allem bei denjenigen, deren Prüfungen an der Universität vor allem aus Hausarbeiten bestanden. Solange die Leute aber ihre Prüfung in einem Raum schreiben, in der sie keine Elektronik zur Verfügung haben, ist das kein Problem. Wenn man vorher mit Chat GPT geschummelt hat, besteht man die Prüfung eben nicht.
Seit Kurzem kann der Chatbot aber schon mehr, oder?
Bast: Genau. OpenAI hat die nächste Version gelauncht, die ist wirklich unglaublich. In der Bezahlversion kann man jetzt Bilder hochladen und Fragen dazu stellen. ChatGPT kann somit nicht nur Fragen, sondern nun auch Bilder komplett verstehen. Und man kann Bilder produzieren. Gesprochene Sprache verstehen konnte die ChatGPT App auf dem Handy schon eine ganze Weile; neu ist, dass sie auch in gesprochener Sprache antworten kann. Wir haben also eine KI, mit der man ganz normal und stundenlang über alle möglichen Themen reden kann. Das ist von einer menschlichen Unterhaltung kaum noch zu unterscheiden. Die Antwort kommt von einer natürlichen Stimme, es klingt nur deswegen noch etwas künstlich, weil die Entwickler vorsichtig sind. Wenn man da noch ein lustiges Gegenüber mit Emotionen hätte, würde man gleich eine Beziehung aufbauen.
Wird es bald eine Superintelligenz geben, die schlauer ist als wir?
Bast: Es gibt Bedenken, dass die künstliche Intelligenz irgendwann alles besser kann und wir total bequem werden und nichts mehr selbst lernen oder machen. Ein Beispiel, dass es nicht so wird, ist für mich das Spiel Schach. Seit 25 Jahren haben Menschen nicht die geringste Chance, gegen einen Schachcomputer zu gewinnen. Trotzdem ist Schach so populär wie nie. Es macht nichts, dass es eine KI besser kann, es macht den Leuten trotzdem Spaß und sie wollen gegeneinander spielen.
Und wie sieht es aus mit intelligenten Robotern?
Bast: Der größte Fortschritt passiert momentan in der virtuellen Welt. Die physikalische Welt ist viel komplexer, wenn sie einem Roboterarm das Greifen beibringen wollen, müssen sie erstmal den Roboter bauen. In dieser Hinsicht erwartet uns erstmal keine Revolution, das sieht man beispielsweise bei selbstfahrenden Autos. Die großen Ankündigungen, vollautonomes Fahren sollte es schon 2018 geben, haben sich nicht erfüllt. Davon sind wir noch sehr weit weg.
Wird die KI in Zukunft immer mehr unseren Alltag erleichtern oder birgt sie auch Risiken?Bast: Das wird viel im positiven verändern, beispielsweise in der Medizin, bis hin zur Heilung von Krankheiten. Fakenews gibt es ja bereits heute, aber es wird auch immer bessere KI geben, um sie aufzudecken. Was mir am meisten Sorgen macht: die Entwicklung ist gerade so rasant – Internet, Smartphones, soziale Netzwerke. Die Leute kommen bei den Auswirkungen nicht mehr mit. Das verunsichert manche massiv und zeigt sich im Trend „Zurück zur guten alten Zeit“. Es gibt schon die Gefahr, dass ein großer Teil der Gesellschaft abgehängt werden könnte, das ist dann demokratiegefährdend. Da muss man alles tun, dass das nicht passiert.