„Wir haben aktuell wenig Sorge“

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Covid-Zahlen steigen: Wer braucht eine Booster-Impfung? – Interview mit dem Leiter der Abteilung Infektiologie der Uniklinik Freiburg

Derzeit erleben wir einen erfreulich milden Herbst. Erwarten Sie, wenn diese Phase vorbei ist, den Beginn einer Covid-Welle?

Siegbert Rieg: Es stimmt, dass die milde Witterung dazu beiträgt, dass sich die Leute weniger in geschlossenen Räumen aufhalten, noch ist die Situation daher entspannt. Aus dem Abwasser-Monitoring wissen wir aber, dass die Kurve schon seit einiger Zeit nach oben geht. Wenn sich das Wetter ändert, werden die Fallzahlen vermutlich deutlich steigen.


Könnte es irgendwann zu einer kritischen Situation kommen?

Rieg: Im Unterschied zu den Vorjahren haben wir eine recht gute Grundimmunität. Die Mehrheit ist mehrfach geimpft und hat die Infektion auch einmal durchgemacht. Darum werden wir, nach allem, was wir wissen, nur sehr wenige schwere Infektionen erleben, die dann auch stationär behandelt werden müssen. Das Risiko ist aufgrund der erworbenen Grundimmunität sehr viel geringer.


Das heißt, das Coronavirus ist für gesunde Menschen nur noch so gefährlich wie ein Erkältungsvirus?

Rieg: Das Virus hat sich insofern verbessert, als dass es sich leichter übertragen lässt, aber die krankmachende Wirkung hat abgenommen und trifft zudem auf eine Bevölkerung, die grundimmunisiert ist. Insofern hält sich unsere Sorge in Grenzen. Dennoch wird sich das, wie bei einer Erkältungswelle, in höheren Krankenständen niederschlagen. Sollte sich das Virus nochmal so verändern, dass die krankmachende Wirkung zunimmt, wäre das nochmal anders zu bewerten. Doch das sehen wir derzeit nicht.


Wer sollte sich nun nochmal um eine Auffrischungsimpfung kümmern?

Rieg: Das gilt für Risikogruppen, die ohnehin immungeschwächt sind und Covid weniger entgegensetzen können. Das trifft außerdem auf alle Personen zu, die schwerere Grunderkrankungen haben, zudem auf Mitarbeiter in Krankenhäusern und Pflegeheimen. In diesen Personengruppen empfiehlt die STIKO eine  Auffrischungsimpfung, wenn denn die letzte Infektion oder Impfung länger als 12 Monate zurückliegt. Den neuen, angepassten Impfstoff gibt es seit rund zehn Tagen.


Empfehlen Sie das Tragen von Masken, zum Beispiel im ÖPNV?

Rieg: Die Maske ist weiterhin eine gute Maßnahme. Man schützt sich und andere. Wenn wir  in eine Phase treten, in der die Fallzahlen deutlich höher sind, ist es  sinnvoll, eine Maske zu tragen, wenn man sich für eine längere Zeit in einem Raum mit vielen Menschen und wenig Luftzirkulation aufhält. Dies gilt besonders für immungeschwächte Menschen. Generell gilt natürlich: Wer Symptome aufweist, sollte gegebenenfalls zu Hause bleiben – bis zur Besserung, die meist nach   fünf bis sieben Tagen auftritt.

 
Neben Covid gibt es auch noch das Grippevirus. Wer sollte sich wann dagegen mit einer Impfung schützen?

Rieg: Ab 60 Jahre ist die jährliche Grippeimpfung für alle von der STIKO empfohlen. Darüber wird sie allen empfohlen, die eine chronische  Grunderkrankung aufweisen. In Baden-Württemberg wird die Impfung generell von der Krankenkasse übernommen, insofern kann sich jeder impfen lassen. Verkehrt macht man damit nichts. Im Gegenteil: Es hilft, die Welle flach zu halten. Die Impfung bietet eine relevante Risikoreduktion. Bei einer Infektion ist auch die Erkrankungsschwere geringer. In einer normalen Saison fängt die Grippewelle etwa in der zweiten Dezemberhälfte an.


Das Interview führte Sven Meyer