„Nur mal schnell“ heißt oft die Devise, wenn Freiburger Eltern ihre Kinder mit dem eigenen Auto zur Schule bringen. Doch die sogenannten „Elterntaxis“ sorgen für gefährliche Situationen und stauen den Verkehr. Das findet in der Stadt wenig Anklang.
Aktiv ins neue Schuljahr starten und das Elterntaxi stehen lassen – dazu rufen aktuell das Deutsche Kinderhilfswerk (DKHW), der ökologische Verkehrsclub VCD und der Verband für Bildung und Erziehung (VBE) zum Schulstart in Baden-Württemberg auf. Laut einer ADAC-Umfrage zur Schulwegsicherheit vom Frühjahr 2023 wird das Elterntaxi zudem von zwei Drittel der befragten Eltern aus Baden-Württemberg (62 Prozent) als problematisch angesehen. Dazu kommt: Elterntaxis sorgen täglich für ein unübersichtliches Verkehrschaos vor den Schulen, was schnell gefährlich werden kann. Bei einer Schule mit 1.000 Schülerinnen und Schülern fahren zu Stoßzeiten nach einer Umfrage der Verbände etwa 170 Autos gleichzeitig vor.
Christoph Nitschke ist seit sechs Jahren Schulleiter der Lorettoschule in der Wiehre – „und das Thema Elterntaxis begleitet mich seit Beginn meiner Arbeit hier“, wie er unterstreicht. „Es sind nur einige wenige Eltern, aber diese halten häufig direkt an unserer Schule an, behindern und blockieren den Verkehr und sorgen damit für gefährliche Situationen“, erklärt Nitschke. Regelmäßig weise er deshalb im jährlichen Elternbrief und manchmal sogar persönlich im Gespräch auf die Gefahrenlage hin. Auch wenn es nur eine Handvoll Eltern sei, die sich unbelehrbar zeigten, das Thema sei brandaktuell, so Nitschke. Gerade erst habe die Verkehrs AG der Schule eine neue Handreichung zum sicheren Schulweg erarbeitet, darin potenzielle Gefahren benannt und Vorschläge formuliert. Generell rät Nitschke den Eltern, mit ihren Kindern den Schulweg gemeinsam zu begehen und zu üben. „Schulanfänger sind noch nicht in der Lage, den Straßenverkehr vollständig zu begreifen. Sie müssen erst lernen, sich darin zurechtzufinden“, erklärt auch Andreas Müller, Leiter Abteilung Verkehr, Technik und Umwelt beim ADAC Südbaden. Am besten trainiert man den Schulweg zu den üblichen Schulwegzeiten am Morgen und am Mittag.
„Beim Begehen sollten Eltern ihrem Kind mögliche Gefahren aufzeigen und ausführlich besprechen“, so Müller weiter. Dabei ist es sinnvoll, verschiedene Strecken auszuprobieren und die sicherste auszuwählen. „Lieber einen kleinen Umweg in Kauf nehmen, wenn dadurch Gefahrenstellen umgangen werden“, sagt Müller. Dabei unterstützen Schulwegpläne mit empfohlenen Wegen, Querungsstellen und Verhaltenstipps.
Rul von Stülpnagel hat solch einen Schulwegplan erst kürzlich mit der Verkehrs AG der Lorettoschule erarbeitet. Der Vater von vier Kindern forscht an der Uni Freiburg zu verschiedenen Verkehrsprojekten und findet: „Statt Laufwege vorzugeben halten wir es für sinnvoll, Gefahrenstellen zu benennen und hierfür konkrete Hinweise zu geben.“
Der Landesvorsitzende des VBE Baden-Württemberg, Gerhard Brand, erklärt: „Die Orientierung im Raum ist eine wichtige Kernkompetenz, die Kinder in der Grundschulzeit erlangen sollten. Dafür ist es wichtig, sie den Weg zur Schule alleine bestreiten zu lassen, wo dies möglich ist.“ Und wenn es dann doch unbedingt das Auto sein muss, kann es auch dafür eine sinnvolle Lösung geben. Um die Hol- und Bringsituation zu entzerren berät der ADAC nämlich zu sogenannten „Elternhaltestellen“. Hier können – mit genügend Abstand zum Schulgebäude – die Kinder sicher ein- und aussteigen. In Umkirch wurde erst im Juli eine eingerichtet, in Freiburg scheitert es oft am Platzmangel.
Dennoch: An den Schulen organisiert man sich, wie das städtische Amt für Schule und Bildung erklärt: „Es gibt nach unserer Kenntnis an einigen Schulen einen sogenannte ’Walking Bus’ auf Initiative von Eltern. Das sind Treffpunkte für Kinder, von denen aus sie gemeinsam zur Schule laufen.“
Die Elternhaltestellen sieht Schulleiter Christoph Nitschke zwiegespalten. Damit verlagere sich der Verkehr nur an andere Stellen. Er vermutet, so legitimiert, könnte die Zahl der Elterntaxis dann sogar noch zunehmen. „Dabei wollen wir ja erreichen, dass die Kinder ihren Schulweg selbstständig bestreiten können.“
Claudia Kleinhans