Vor rund fünf Jahren saß Greta Thunberg zum ersten Mal in Stockholm vor dem Parlamentsgebäude und forderte mehr Klimaschutz von der Politik. Daraus entstand die Klimabewegung „Fridays for Future“, die auch in Freiburg immensen Zuspruch hatte. In der Spitze demonstrierten 12.000 Menschen für mehr Klimaschutz. Doch wo steht die Bewegung heute?
Jule Pehnt von Fridays for Future Freiburg sieht die Bewegung als wichtigen Impulsgeber: „Was wir auf jeden Fall bewirkt haben, ist es, das Thema Klimaschutz und Klimagerechtigkeit in den Fokus der gesellschaftlichen Debatte gerückt zu haben. Es herrscht mehr Bewusstsein“, erklärt sie gegenüber dem Freiburger Wochenbericht. Aus ihrer Sicht ist der Klimaschutz auch aufgrund der Demonstrationen von Fridays for Future zu einem der wichtigsten Punkte der politischen Agenda in Deutschland geworden. Auch vor Ort, in Freiburg, sei das Thema in der Prioritätenliste nach oben gerückt. „Unsere Forderungen werden zumindest teilweise aufgegriffen. Beispielsweise wurde der Klimaschutz-Fond deutlich vergrößert oder der Radweg FR2 ausgebaut“, so Jule Pehnt.
Der Freiburger Politikwissenschaftler Michael Wehner bestätigt: „Es steht außer Frage, dass die Bewegung die öffentliche Wahrnehmung und individuell auch das Verhalten verändert hat. Das Agenda-Setting hat funktioniert. Somit kann die Bewegung fünf Jahre nach ihrer Gründung darauf stolz sein, was sie erreicht hat.“
Rückblickend, erklärt Jule Pehnt, habe die Coronakrise die Bewegung etwas ausgebremst. Viele junge Klimabewegte seien jetzt zudem in einer Phase, wo man aufgrund der Größe der Krise eher in eine Klimaangst oder Klimadepression verfalle.
Es gibt Stimmen, die sagen, die Luft sei inzwischen aus der Bewegung etwas raus. Auch Michael Wehner sieht den Zenit überschritten: Fünf Jahre könne man so ein Momentum nicht aufrechterhalten. Die große Begeisterung für Fridays Future sei inzwischen abgeebbt, sagt der Politologe. „Die Bewegung hat ganz klar an Fahrt verloren, auch weil andere Krisen wie Krieg und Inflation in den Vordergrund gerückt sind.“ Was er zudem diagnostiziert: Fridays for Future habe es nie geschafft, sich weiter zu öffnen. Akademikerkinder blieben unter sich.
„Wir müssen daran arbeiten, auch in Zukunft relevant zu bleiben“, sieht die 18-jährige Freiburgerin Jule Pehnt Fridays for Future an einer Weggabelung: „Wir sind jetzt in einer Phase, in der wir interne Debatten darüber führen, wie wir uns strategisch mit welchen Themen neu aufstellen, um in neue gesellschaftliche Gruppen reinzustoßen“, so Pehnt. In Zukunft könnten Gewerkschaften zu einem wichtigen Partner werden, ist sie überzeugt. Klimapolitik dürfe die Gesellschaft sozial nicht spalten. „Wir müssen als Umweltbewegung daher auch Antworten auf die soziale Frage haben“, erklärt die Aktivistin. Es gehe zudem darum, wie Fridays for Future in eine Rolle komme, die nicht nur für Klimastreik stehe, sondern Überzeugungsarbeit leiste. Dabei müssten die Chancen immer im Vordergrund stehen. Zudem sei die Bewegung dabei, neue Formate zu entwickeln, um die neue Generation von Schülern zu erreichen und auf die Straße zu bringen.
Vor Ort gelte es, Druck aufs Rathaus auszuüben: „In Freiburg muss mehr getan werden. Green City ist trotz leichter Fortschritte nur ein Marketing-Name. Bei den CO2-Einsparungen hinken wir hinterher. Es mangelt an Handlungen. Man muss die Stadt verändern, wenn man es ernst meint mit dem Klimaschutz“, fordert Pehnt. Dabei spielten zum Beispiel auch höhere Parkgebühren eine Rolle. Der Autoverkehr müsse stärker eingedämmt und nicht, wie mit dem Stadttunnel, gefördert werden, sagt sie.
Zum Schluss des Gesprächs stellt Jule Pehnt noch eines klar: „Ich würde niemals jemanden deswegen kritisieren, weil sie oder er in Urlaub fliegt. Es ist uns wichtig, nicht in die persönliche Konsumkritik einzusteigen, weil das nicht zielführend ist. Es geht um den großen gesellschaftlichen und ökonomischen Wandel, der stattfinden muss, einen Systemwechsel.“
Natürlich werde die Veränderung nicht leicht, denn sie koste. Daher müsse die Politik auf eine gerechte Verteilung achten. Eines sei für sie klar: Die Notwendigkeit der Bewegung steige weiter, denn der Politik fehle der Mut. Wie groß der Zuspruch für Fridays for Future noch ist, wird sich am 15. September zeigen, wenn das Bündnis ab 13 Uhr zum Klimastreik am Platz der Alten Synagoge aufruft. Sven Meyer